Bandscheibenoperation in
Lasertechnik
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Prof. Dr. med. Johannes Hellinger
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Seit über 60 Jahren
kann mit offenen Bandscheibenoperationen und in den letzten zwei
Jahrzehnten auch mit neuen Techniken zur Befestigung der Wirbel bei
Versteifung Operationen vielen Patienten geholfen werden. Dennoch
ist nicht zu verleugnen, dass bei der offenen Bandscheibenchirurgie
zumindest immer mit Verwachsungen im Rückenmarkskanal und bei den
Versteifungsoperationen mit Lockerungen in den angrenzenden Bewegung
Segmenten als gewissermaßen normaler postoperativer Verlauf mit
allen möglichen Schmerz-auslösern gerechnet werden muß. Die
intradiskale Therapie setzte vor mehreren Jahrzehnten mit der
Chemonukle-olyse wegen der allseits bekannten Komplikationen der
offenen Diskuschirurgie (Bandscheibenoperation) ein. Es
wurden dann über die endoskopische intradiskale Diskektomie (s.
Glossar am Ende des Beitrags) bis hin zur automatisierten
Absaugdiskektomie und der trans-kutanen Diskektomie verschiedene
Verfahren entwickelt, die zu mechanischen Entlastungen führen
sollten. Vor diesem Hintergrund ist die 1986 eingeführte nonendo
skopische perkutane Laserdiskusdekompression und - nukleotomie mit
dem Nd-YAG-Laser 1064 nm (Choy, Case, Ascher, 1987) als
Pionierleistung zu sehen.
Die Grundlagen
Grundgedanke und
Zielstellung war durch intradiskale Druckminderung auch eine
Entlastung der nervalen Strukturen im Spinalkanal und Wirbelloch zu
erzielen. Dies fußte auf der Kenntnis der Interaktion eines
Laserlichtstrahles mit dem Diskusgewebe. Bei dem Beschüß von
Diskusgewebe mit dem Nd-YAG-Laser 1064 nm entsteht eine kleiner
Vaporisations defekt, der mit einem Karbonisationssaum (Verkohlungssaum)
ausgekleidet ist. Diese Ablation (Abtragung) des Diskus
gewebes (Bandscheibengewebe) ist meßbar gering. Der
Nd-YAG-Laser 1320 nm führt zu einer gering höheren Ablation im
Vaporisationsbereich (Choy, Ascher, Satekni, Alkai-tes, Liebler,
Hoges, Diwan, Altmann 1992). Der intradiskale Druckabfall bis zu
55,6% wurde durch diese Arbeitsgruppe eindrucksvoll mit hoher
statistischer Signifikanz für den Nd-YAG-Laser 1064 nm
demonstriert. Der Ablationsdefekt durch die Vaporisation ist
selbstverständlich bei Anwendung mechanischer Diskektomieverfahren
größer. Da die klinischen Ergebnisse jedoch nicht an die Resultate
der Anwendung des Nd-YAG-Lasers intradiskal heranreichen, mußten
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noch andere
Mechanismen Wirkung zeigen. Bedeutsam erscheinen experimentelle
Untersuchung der Osaka-Gruppe mit dem Nachweis, daß die
Druckminderung in der Bandscheibe weder alters- noch
degenerationsgradabhängig ist. Neben der Vaporisation ist besonders
ein thermischer Effekt bemerkenswert. Nach Beschüß des
Diskusgewebes mit hoher Hitzeentwicklung an der Spitze der
Laserfiber (Laserfaser) entsteht durch Koagulation jenseits
des Karbonisationssaumes des Vaporisationsdefektes eine Schrumpfung
der Kollagenfibrillen (Bindegewebsfasern). Durch die bekannte
Textur der Kollagenstruktur des Faserrings der Bandscheibe ist mit
einer Verkleinerung des Gesamtvolumens zu rechnen. Experimentelle
Untersuchungen beim Beschüß von Meniskusresektaten (Kniepufferscheiben)
mit einer schlagartigen Schrumpfung des halbmondförmigen
Gebildes nach Nd-YAG-Laser (1064 nm)-Anwendung (Hellinger 1989) ließen
den Schluß zu, daß auch ein zirkuläres Gebilde wie die
Bandscheibe einem derartigen Shrinkingeffekt (Schrumpfeffekt) unterliegen
müßte. An explantierten Rinderbandscheiben konnte dieses
Shrinkingphänomen eindrucksvoll demonstriert werden. Der Verlust an
Durchmesser der Bandscheiben betrug dabei bis zu 14%. Vergleichende
Untersuchungen mit dem Holmium-YAG-Laser erbrachten dabei lediglich
Werte bis zu l %. Der Nachweis dieses Shrinkingphänomens ist auch
durch weitere in vitro und in vivo (wissenschaftliche) Untersuchungen
belegt. Durch die Einführung der kernspintomographischen
Myelo-graphie (Riickenmarkskanaldarstellung), d.h. ohne
Eingriff, war es auch möglich bildgebend die Druckentlastung im
Spinalkanal (Rückenmarkkanal) nachzuweisen.
Turgut et al. (1996)
haben den Wasserverlust, die Proteoglykanveränderungen (Bandscheibeninhaltsstoff),
l die Kollagenveränderungen eindrucksvoll nachgewiesen. Auch in
vivo konnte der Effekt bewiesen werden. Japanische Autoren berichten
über die Meßung der Größe extrudierter Diskusanteile bei offenen
Operationen und gleichzeitiger intradiskaler Nd-YAG
Laserdekompression und -nukleotomie mit deutlicher Verkleinerung um
Millimetergröße des prolabierten (vorgefallenen) Anteiles.
Dem entspricht auch die Demonstration der CT-Videos von Grönemeyer
mit der sichtbaren Wirkung des Shrinkingeffektes durch schlagartige
Verkleinerung der Zirkumferenz des Diskus. Mayer hat bei
endoskopischer laserassistierter
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perkutaner
Nukleotomie in seinen Videos diesen Effekt ebenfalls nachgewiesen.
Hellinger (1992) hat diesen Effekt immer wieder veranschaulicht.
CT-Untersu-chungen zur Dichte des protrudierten oder extrudier-ten (vorgewölbten
oder vorgefallenen) Bandscheibenanteils im Spinalkanal
erbrachten eine signifikante Senkung der Houndsfield-Einheiten um
20% nach dem Laserbeschuß.
Der hintere
Easerring der Bandscheibe ist mit einer Vielzahl von Nozizeptoren,
d.h. schmerzaufnehmenden Nervenenden, bestückt. Für die Entstehung
der verte-bragenen Schmerzen (Rückenschmerzen) bei
Diskuserkrankungen ist dies eine bedeutsame Feststellung. Durch die
Hitzewirkung des Nd-YAG-Laser 1064 nm wird mit Sicherheit ein Teil
der Nozizeptoren zerstört. Damit ist ein weiterer
Wirkungsmechanismus beschrieben. Jedoch werden nicht nur
Nozizeptoren ausgeschaltet, sondern auch Nerven fasern, die im Zuge
einer Vaskularisation (Gefäßeinsprossung) des degenerierten
Bandscheibengewebes nachgewiesen sind, mit zerstört. Dafür genügen
teilweise bereits Temperatursteigerungen bis 42°C. Ein vierter
Wirkungsmechanismus ist in der Denaturierung von Chemokininen (Schmerzbotenstoffe)
aus dem zerrissenen Bandscheibengewebe zu erwähnen. Diese
Chemokinine besitzen für die Schmerzentstehung im Rahmen der
degenerativen Diskuserkrankungen mit intradiskaler Zerreißung,
Protrusionen und Extrusionen (Vorwölbungen und Vorfällen) eine
große Bedeutung. Alle operativen Maßnahmen, ob minimalinvasiv oder
nicht minimalinva-siv, führen zu einer weiteren Instabilität im
Bewegungssegment. Das einzige Verfahren, bei dem keine Zunahme der
Instabilität erfolgt, wie Siebert (1993) demonstrieren konnte, ist
der Nd-YAG-Laser 1064 nm. Im Gegenteil, Wittenburg und Steffen
(1997) beschreiben sogar eine Stabilitätszunahme bei ihren
Messungen hinsichtlich der Translationsbewegung am Wirbelsäulenmodell.
Zusätzlich zu dieser primären offenbaren Stabilitätszunahme
kommen die in den experimentellen Untersuchungen nachgewiesenen
Late-Shrinking-Effekte durch eine laserstrahlprotegierte
intradiskale Narbenbildung vom fibrokartilaginären (fasrig-knorpelig)
Typ, die experimentell allerdings erst nach einem Jahr
abgeschlossen sind. Zumindest ist eine weitere Instabilität
eingriffsbedingt nicht mehr anzunehmen. Dies bestätigen
Vierjahresnachuntersuchungen zweier Arbeitsgruppen in prospektiven (geplanten)
kontrollierten Studien.
Die Sicherheit
Eine wichtige
experimentelle Voraussetzung war der Nachweis über die
Eindringtiefe des Nd YAG-Laser-strahles neben dem
Vaporisationsdefekt an der Spitze der Laserfiber und die Wärmeverteilung
in der Bandscheibe. Dazu liefert die Arbeitsgruppe um Siebert (1996)
die Grundlagen mit ihren Messungen. Bei einer definierten Dosis von
20 Watt und einer Beschußdauer von einer Sekunde ist mit einer
Eindringtiefe von 6 mm zu rechnen. In keinem Fall wurden
Temperaturen oberhalb des Koagulationsniveaus (Gerinnungsniveaus)
der Proteine im Spinalkanal oder den anschließenden Deck-
und Grundplatten bei korrekter Lage der Fiberspitze gemessen. Die
Untersuchungen sind für die Sicherheit des Eingriffes von
entscheidender Bedeutung gewesen.
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Minimalinvasivität
- nur über eine Kanüle wie hier an der Halswirbelsäule erkennbar
wird der Eingriff ausgeführt |
das Behandlungsziel,
nämlich das Vermeiden der offenen Operation, erreicht werden kann,
wurden diese von mir einbezogen. Lediglich echte freie intraspinale
Sequester (im Rückenmarkkanal liegende Bandscheibenstücke) stellen
eine primäre Kontraindikation dar. In Ausnahmefällen ist auch hier
abzuwägen, ob unter offener Operationsbereitschaft bei Prozessen im
Wirbelloch nicht ein PLDN-Versuch möglich ist. Fälle von freiem
Sequester mit konservativ erzielbarer Beschwerdefreiheit belegen
dies.
Die
Patientenauswahl
Immer wieder wird
darauf hingewiesen, eine Patientenauswahl nach besonderen Kriterien
sei die Grundlage für den Erfolg. Im Klartext bedeutet dies, daß
besonders Patienten mit beginnenden Somatisierungen (psychischen
Überlagerungen) ausgeschlossen werden. Dies halte ich nicht für
gerechtfertigt, da die durchschnittliche Anamnesedauer länger als
drei Monate ist. Damit wäre nach schmerztherapeutischer Definition
bereits die Grenze der Chronifizierung erreicht. Für die
Patientenauswahl gelten die für die Indikation aufgezeigten
Definitionen mit dem Zusatz einer sechswöchigen erfolglosen
konservativen Therapie bei indizierter offener Nukleotomie,
Dekompressionsoperati-on oder Fusion (Bandscheibenoperation,
Entlastungseingriff oder Versteifung). Die zweite
Patientengruppe ist definiert durch Kontraindikationen
verschiedenster Prägung zu offenen Eingriffen. Diese Gruppe wäre
der Chronifizierung und Somatisierung ausgeliefert, wenn nicht die
Nozizeption (Schmerzaufnahme) durch den Eingriff durchbrochen wird.
Schließlich resultiert noch eine größere Gruppe von Patienten mit
strikter Ablehnung offener Operationsmethoden.
Klinische
Erfahrungen
Eine multizentrische
Megastudie von 4977 Patienten, davon 316 mit
bandscheibenverursachten Halswirbelsäulen und 38 mit brustwirbelsäulen
bandscheibenbedingten Schmerzsyndromen wurden zwischen dem
23.11.1989 bis 12. l. 1999 in der beschriebenen Technik einheitlich
behandelt. Die Dokumentation erfolgte kon-
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Auch große Bandscheibenvorfälle können erfolgreich mit dieser Methode therapiert werden. Hier handelt es sich um einen gedeckten großen Bandscheibenaustritt zwischen dem 5. und 6. Halswirbel. Nach sechs Wochen war die Patientin bei der Kontrolluntersuchung von ihren heftigen Arm- und Kopfschmerzen befreit.
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Die Technik
für die Technik
der lumbalen, thorakalen dorsolateralen (hinteren) Zugangswege
die Nadelplatzierung im dorsolateralen Drittel der Bandscheibe
festgelegt werden. Der Eingriff wird in örlicher Betäubung mit Dämpfung
des Patienten ausgeführt. Er kann in Bauchlage oder nach meiner
Ansicht besser in Seitenlage wegen des leichteren Zugangs zu den
Bandscheiben mit Punktion der Disci mit einer 1,8 mm-Nadel erfolgen.
An der Halswirbelsäule wird der Eingriff von vorne in Rückenlage
des Patienten durchgeführt.
Die Indikation
Ausgehend von der
neurologischen Klassifikation dis-kogener vertebragener
Schmerzsyndrome (bandschei-henhedingter Wirbelsäulenschmerzsyndrome)
wurde die Indikation von mir von Anbeginn an weit gestellt, während
Siebert die Indikation auf die monoradikulären Symptome beschränkte.
Die Indikation ist bei disko-genen Schmerzsyndromen im Bereich der
HWS, BWS oder LWS mit bildgebend gesicherten Bulgings, Prot-rusionen
und Extrusionen gegeben. Der Eingriff stellt den letzten Schritt vor
einer sonst notwendigen offenen Operation oder dem therapeutischen
Nihilismus bei konservativ austherapierten Patienten (erfolglos
Behandelten) mit diesen Krankheitsbildern dar. Allgemeine
Kontraindikationen bestehen mit Ausnahme schwerer Hämostasestörungen
(Blutgerinnungsstörungen) nicht. Eine Altersbegrenzung, auch
nach oben, ist nicht gegeben, da immer noch schrumpfbare
Kollagenfasern am Anulus (äusserer Bandscheibenring) vorhanden
sind. Von der bildgebenden Pathologiedarstellung her ist bis zur
gedeckten Extrusion heute Einheitlichkeit in der Indikationsstellung
feststellbar. Bei den nicht gedeckten Extrusionen gibt es
unterschiedliche Auffassungen. Da jedoch auch dort in einem hohen
Prozentsatz
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Chronifizierte
Schmerzgeschehen mit einer Dauer der Krankheitsgeschichte, wie
bei diesem 40jährigem Polizisten, von zwei Jahren verursacht
durchBandscheibenvorwölbungen- oder vorfalle stellen einen grossen
Teil desKrankheitsgutes dar. oben
rechts: Computertumorgramm mit Nachweis der Bandscheibenprotrusion
bei zusätzlich engem Wirbelkanal
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oben: Sechs Wochen
postoperativ wieder volle Dienstfähigen
unten: Einen Tag nach der Operation
sekutiv unter
Erfassung des Schmerzbil-des, des klinischen Befundes, des
neuro-logischen Befundes, der bildgebenden Diagnostik und zunehmend
mit dem computerisierten Spine-Motion-Test mit integriertem Rückenmuskel-EMG
zur Quantifizierung der lokalen vertebralen Befunde. Diese als
prospektive Studie mit repetitivem Kontrolldesign zu wer-tender
klinischer experimenteller Ansatz diente zur andauernden Evaluierung
dieser zunächst als neulandmedizini-sches Verfahren eingeführten
Behandlungsmethode. Von Anfang an wurden auch
band-scheibenvoroperierte Patienten mit Postnukleotomie-syndrom
einbezogen. Deren Anteil betrug über die Jahre unverändert 20%.
Aufgrund von langjähriger Erfahrung mit der offenen Bandscheiben-
und Wirbelsäulenchirurgie wurde die polysegmentale Anwendung der
nonendoskopischen perkutanen Laserdiskusdekompression und
-nukleotomie mit dem Nd-YAG-Laser 1064 nm entwickelt. Alle Patienten
wurden nach 6 Wochen kontrolliert. Die Nachuntersuchungsrate betrug
dabei 90%. Die restlichen 10% wurden durch Telefoninterview befragt.
Dieser vorgesehene Untersuchungszeitraum von 6 Wochen ist inzwischen
durch vielfältige Studien bestätigt. Der Zeitraum ist für die
primäre Vernarbung zerrissener Bandscheibenringteile repräsentativ
angesetzt. Die Ergebnisse sind während der Jahre unverändert
gleich gut. Subjektiv ist das Erfolgs resultat an der Lendenwirbelsäule
mit 80%, an der Halswirbelsäule mit 86,5% und an der Brust-wirbelsäule
mit 90% positiv konstant. Objektiv ergeben sich hinsichtlich der
Besserung des straight-leg-rai-sing-Testes mit 90% Besserung bei
LWS-Patienten vom ersten postoperativen Tag an unverändert eine
gute Wirkungen. Diese Befunde wurden auch bei
Kontroll-untersuchungen bis zu 4 Jahren bestätigt. Die Rückbildung
von Lähmungen in allen Wirbelsäulenbereichen konnte unverändert
mit über 90% registriert werden. Zusätzlich wurden bei der
computerisierten Messung der Wirbelsäulenbeweglichkeit deutliche
Verbesserungen nach der 6 Wochen Ruhigstellung in einer Orthese (einem
halbstarren Überbriickungsmie-der) im Anschluß an den Eingriff
festgestellt. Auch die Verspannung der paravertebralen Muskulatur
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Typische
Verlaufsform der Schmerzrückbildung unmittelbar nach dem
Eingriff |
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(Rückenmuskulatur)
war zu diesem Zeitpunkt signifikant gegenüber dem präoperativen
Stand gebessert. Die Komplikationsdichte ist für den Lumbaibereich
bei l%o schwerer Komplikationen. An der Halswirbelsäule ist sie mit
0,77% im Laufe der Jahre weiter gesunken. An der Brustwirbelsäule
trat einmal ein Problem auf. Im Vergleich mit offenen Operationen
ist somit eine außerordentlich niedrige Komplikationsdichte zu
verzeichnen. Allerdings müssen in jedem Fall alle möglichen
Risiken einer wirbelsäulennahen oder intradiskalen Intervention
bedacht werden. Dies muß in der Aufklärung zum Eingriff Berücksichtigung
finden. Eine Megastudie beweist die Überlegenheit gegenüber dem
auch diskutierten und konzeptionell weniger
geeigneten
Holmium-YAG-Laser. Klinische Studien zur geringen Wirksamkeit des
Holmium-YAG-Lasers liegen bei dieser Technik vor.
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Stern und Evermann
kontrollierten vier Jahre lang Ihre Patienten. Bemerkenswert ist die
gleichbleibend niedrige Rate (Rot) der notwendig gewordenen offenen
Operationen.
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Vierjahreskontrollergebnisse
einer prospektiven Studie nach dem Ulmer Score zur Bestimmung der
Patientenzufriedenheit. 90% der Patienten dieser Untersuchungsgruppe
ließen den Eingriff bei neuerlichen Beschwerden wieder durchführen.
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Die Diskussion
Zusammenfassend ist
festzustellen, daß der Nd-YAG-Laser 1064 nm bei nonendoskopischer
perkutaner intradiskaler Anwendung zwei Wirkungsmechanismen zur
Beseitigung der diskalen Schmerz- und Lähmungsursachen aufweist.
Zum ersten ist es ein Effekt wie bei der offenen intraspinalen
Dekompression (Nervenent-lastttng): Die mechanische
Entlastung der intraspinalen Strukturen wie venöse Plexus, spinale
Arterien, radi-kuläre Arterien (Venengeflechte, Rückenmark- und
Nervenwurzelgefäße) und der nervalen Strukturen wie
Nervenwurzel und lange Bahnen. Dieser Wirkungsmechanismus beruht auf
der Verbindung der intradiskalen Druckminderung durch die
Vaporisation und dem Shrinking-Phänomen mit der Druckentlastung
maximal im Spinalkanal. Dabei kommt der venösen Kongestion (Venenstauung)
größte Bedeutung zu, da sie dort bereits im geringen Ausmaße
zu Veränderungen der Synapsen (Neri'enschaltiingen im hinteren
Nervenknoten) im dorsalen Spinalganglion führt (Sugawa-ra et
al. 1996). Die vom Autor präferierre multi-segmentale Dekompression
zur Verminderung der venösen Stase ist durch die Untersuchungen von
Porter und Warth (1992) zur Bedeutung der Zweihöhenpathologie
untermauert. Der zweite Wirkungsmechanismus im Rahmen der Behandlung
des vertebragenen diskogenen (bandscheibenbedingten Rückenschmerzes)
Schmerzsyndroms durch die intradiskalen Wirkungen des
Nd-YAG-Lasers ist in schmerztherapeutischer Hinsicht zu sehen. Die
Zerstörung der Nozizep-toren (Nervenenden) im hinteren
Faserring zählt dabei ebenso wie die im Rahmen von
Neovaskularisationen (Gefäßwucherungen) des Bandscheibengewebes
einge-sprossten Nervenfasern. Nicht zu unterschätzen ist die
Denaturation (Ausschaltung) von schmerz-aktivieren-den
Kininen (Botenstoffe) aus dem zerrissenen Bandscheibengewebe.
Die dargestellten experimentellen Grundlagen in vitro, in vivo und
in der klinischen Forschung lassen keinen Zweifel mehr an der
Wirksamkeit des Nd-YAG-Laser 1064 nm auf das Gewebe des Discus
intervertebralis und somit auf pathologische
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Erscheinungsformen
mit klinischen Syndromen. Die immer wieder aufgestellte Behauptung
von psychologischen Effekten ist nicht aufrecht zu erhalten. Die
Fragen nach Wirksamkeit für den Patienten oder Spaß, Placebo oder
gar Mumpitz, wie sie von nicht kompetenter Seite vor allem in der
nicht wissenschaftlichen Presse aufgeworfen werden, können
eindeutig von der Grundlagenforschung her mit nachgewiesener
Wirksamkeit zur intradiskalen und intraspinalen Druckentlastung bei
minimalsten Schädigungsmöglichkeiten gegenteilig beantwortet
werden. Die klinischen Ergebnisse der Megastudie und die Auswertung
der Meta-analyse bestätigen dies eindrucksvoll.
PLDN-ND-YAG
zwischen konservativer
und operativer Therapie
Die nonendoskopische
perkutane Laserdiskusdekompression und -nukleotomie mit dem
Nd-YAG-Laser 1064 nm ist zwischen erfolgloser konservativer Therapie
und sonst notwendiger offener Operationstechnik,
Bandscheibenoperationen in mikrochirurgischer, endoskopischer oder
Fusionstechnik bei mehretagi-gem Befall, angesiedelt. Sie stellt den
letzten Schritt in dieser Palette vor dem sonst notwendigen Eingriff
dar. Hoogland hat kürzlich die Frage in den Raum gestellt, dass
eine frühzeitige operative Behandlung von Bandscheibenvorfällen
insgesamt besser wäre als eine konservative Behandlung. Dem kann
aus meiner 40jähri-gen Erfahrung auf diesem Gebiet nicht zugestimmt
werden.
Die Chance neuerlich
an der Bandscheibe operiert zu werden liegt nach finnischen
Statistiken mit Totalerfassung aller bandscheibenoperierten
Patienten innerhalb 10 Jahren bei 16% in Orthopädischen Kliniken
und bei 24% in Neurochirurgischen Kliniken. Somit ist immer eine
konservative Behandlung mit physikalischer Therapie unter
verschiedenen Gesichtspunkten in Kombination mit einer medikamentösen
abschwellenden und entzündungshemmenden Maßnahme sinnvoll.
Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die medikamentöse
Therapie mit alleiniger NSAR-Medi-kation, ganz abgesehen von den
Nebenwirkungen der notwendigen Glucocorticoide, immerhin mit
schweren Komplikationen bis 10% Magengeschwüren, 1% Magengeschwürkomplikationen
und bis zu 0,1% tödli-
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chen Zwischenfällen
belastet ist. Damit ist die Komplikationsdichte der Nd-YAG-PLDN auch
da niedriger, sodass nach einer 6wöchigen erfolglosen konservativen
Theapie die Indikation zum Eingriff gestellt werden sollte. Dieser
ist auch hei Patienten mit schweren Allgemeinerkrankungen ohne
Ausnahme möglich. Bisher habe ich in 11 Jahren der Anwendung noch
keinen Patienten wegen Allgemeinerkrankung vom Eingriff ausschließen
müssen.
Der richtige
Laser muss es sein
Der Lasereinsatz
erfordert natürlich die nötigen Kenntnisse in der Laserphysik und
damit muß man selbstverständlich auch die Auswahl des geeigneten
Lasers bedenken. Die Ergebnisse sind nur so positiv zu erzielen,
wenn der richtige Laser mit der entsprechenden Wellenlänge, die auf
das Bandscheibengewebe in der beschriebenen Weise wirkt, angewandt
wird. Dies ist nach allen experimentellen und klinischen Ergebnissen
der Nd-YAG-Laser 1064 nm. Auch der Nd-YAG-Laser 1320 nm bringt gute
Ergebnisse, erfordert jedoch mindestens die dreifach höhere Dosis.
Damit sind Schäden an den benachbarten Wirbelkörpern in 8%
beschrieben. Der Holmium-YAG-Laser ist bei der nonendoskopischen,
also nur durch eine perkutane Nadel punktion, durchgeführten
Operation nicht geeignet. Er darf nach meinen experimentellen
Untersuchungen und klinischer Erfahrung bei offenen
Bandscheibenoperationen nur assistierend unter Sicht zur Anwendung
kommen. Der zuletzt entwickelte Diodenlaser mit Wellenlängen um 940
nm besitzt die höchste thermische Wirkung, wie experimentelle
Untersuchungen der eigenen Arbeitsgruppe mit sehr gutem
Shrinking-mechanismus nachweisen lassen. Er bringt bei einer
klinischen einfachen prospektiven randomisierten Blindstudie die
gleichen Ergebnisse ohne Steigerung der Komplikationen wie der
Nd-YAG Laser 1064 nm. Bedauerlicherweise wurden hier auch schon
wieder Fälle mit viel zu hohen Dosen, von nicht operativ tätigen
Medizinern angewandt, gezeigt, die schwere Schädigungen im
Nachbarwirbel zeigen. Das gleiche gilt für den KTP-Laser, der bei
richtiger Auswahl der Fiberspitze zum Geradeausschuß, gute
Ergebnisse ohne Schäden an den benachbarten Wirbeln bringt.
Neuerdings wird eine sog. intradiskale Elektrowärmetherapie
empfohlen. Die von den Gebrüdern Saal entwickelte Methode wurde
ganz speziell nur bei inneren Band-scheibenzerreissungen mit Rückenschmerzen
angewandt. Damit soll ein Shrinkingeffekt, wie er durch den
Nd-YAG-Laser in viel höherem Maße und kürzerer Zeit erfolgen
kann, erzielt werden. Die Methode ist viel aufwendiger und nach
Aussage dieser Autoren nur für diese kleine Patientengruppe
geeignet. Nach meinen langjährigen Erfahrungen in der offenen
Wirbelsäulenchirurgie und jetzt den über 10jährigen Ergebnissen
der intradiskalen Nd-YAG Laseranwendung ist dieser gegenüber dem
als IDET-Verfahren bezeichneten elektrothermischen Vorgehen von
Seiten der physikalischen Wirkung auf das Gewebe gewissermaßen als
Super-IDET zu bezeichnen. Zum Schluß bleibt noch einmal
festzuhalten, dass trotz vielfacher Diskussio-
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nen um Sinn und
Widersinn intradiskaler Therapie die nonendoskopische perkutane
Laserdiskusdekompression und -nukleotomie mit dem Nd-YAG-Laser 1064
nm bei der Behandlung von bandscheibenbedingten Schmerzsyndromen
lokaler oder ausstrahlender Art mit und ohne Lähmungen bei den Fällen
ohne freien im Rückenmarkskanal liegenden Bandscheibenstücken und
vorwiegend band- oder knochenbedingten Einengungen die Methode der
Wahl vor der Durchführung offener Eingriffe ist. Im Gegenteil
stelle ich die Frage, ob bei Kenntnis dieser Methode, die in der
Hand der wenigen Experten hervorragende Ergebnisse liefert, es noch
gerechtfertigt ist, dass in Deutschland allein über 60'000
Bandscheibenoperationen und über lO'OOO Versteifungsoperationen
ausgeführt werden, abgesehen von den chronifizierten diskogenen
vertebragenen Schmerzsyndromen, die mit einer Daueropioidtherapie
nach meiner Meinung nach kaum gerechtfertigt nur symptomatisch
behandelt werden.
Die
Zusammenfassung
Bei einer großen
Zahl von Patienten konnte das dis-kogene vertebragene Schmerzsyndrom
beseitigt oder auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Die
sonst notwendige offene Operation als Mikrodiskektomie,
endoskopische transforaminale Sequestrotomie bis hin zur
mehretagigen Fusionsdekompressions-Operation ist in etwa 90%
vermieden worden. Die Erfolgsrate beträgt an der Lendenwirbelsäule
mit 80%, an der Halswirbelsäule mit 86,5% und an der Brustwirbelsäule
mit 95% zufriedenen Patienten unter Einbeziehung vieler Kranker,
denen eine offene Operation überhaupt nicht zumutbar wäre, sehr
hohe Werte. Bei einer Komplikationsdichte von bisher insgesamt nach
Meta-Analysen erhobenen 0,66% steht das Verfahren von dieser Seite
her konkurrenzlos zur Verfügung. Der Nd-YAG-Laser 1064 nm besitzt
aufgrund seines Absorptionsspektrums beste Voraussetzungen nach
experimentellen Untersuchungen durch Vaporisation von Diskusgewebe
zu einem intradiskalen Druckabfall (Druckabfall im
Bandscheibeninneren) zu führen. Als noch wichtigeres Geschehen
ist durch die thermische Wirkung die schlagartige Druckverminderung
im Spinalkanal infolge des Shrinkingeffektes mit Verkürzung der
Kollagenfibrillen (Bindegewebsfasern) im Verbund der
Bandscheibe zu sehen. Zusätzliche Effekte sind die Stabilitätssteigerung
im Bewegungssegment sowie die Destruktion von Nozizeptoren (Nervenenden)
und Nervenfasern im hinteren Faserring sowie der
vaskularisierten (bltitgefäßversorgten) Bandscheibe im
Degenerationsprozeß. Nicht zu vernachlässigen ist auch die
Denaturierung von schmerzauslösenden bandscheibengenerierten
Kininen. Da auch hinsichtlich Eindringtiefe des Nd-YAG 1064 nm
Laserstrahles und Wärme konvektion exakte Untersuchungen mit dem
fehlenden Nachweis einer Schädigung bei richtiger Dosierung
vorliegen, ist der Nd-YAG-Laser 1064 derzeit der Laser unserer Wahl
für die intradiskale Bandscheibendekompression und -nukleotomie.
Professor
Dr. med. Johannes Hellinger |